Bündnis 90/Die Grünen vertreten eine aktive und vorausschauende Friedenspolitik

von partei

Die Kreisverbände von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kassel-Land und -Stadt sowie die Grüne Jugend Kassel werden den diesjährigen Aufruf des Kasseler Friedensforums zum Ostermarsch 2012 nicht unterstützen. „Trotz eines konstruktiven Dialoges zwischen Grünen und dem Friedensforum im Vorfeld, sind wir leider nicht zu einem Ergebnis gekommen, das wir vorbehaltlos unterstützen können“, erklärte Ute Lilly Mohnberg, Parteivorsitzende der Grünen Kassel-Stadt. „Insbesondere die Positionen zu Syrien und Iran teilen wir nicht“, ergänzte Gudrun Bednarek-Siegfried, Vorstandssprecherin der Grünen im Landkreis.

Die Lösung der Situation in Syrien allein dem syrischen Volk zu überlassen, und dies mit geltendem Völkerrecht zu begründen, erscheine den Grünen angesichts der Gräueltaten der syrischen Regierung nicht vertretbar. Daher sprechen sie sich für die Bemühungen des UN-Sicherheitsrates aus, die Handlungen der syrischen Regierung zu verurteilen und zu einem Waffenstillstand aufzurufen. In Bezug auf Iran, einem Land das die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) verweigert und sein Atomenergieprogramm weiter ausbaut, können die Grünen die Darstellung des Friedensforums ebenfalls nicht teilen. Die IAEO ist nach eigener Aussage nicht in der Lage zu überprüfen, ob das iranische Nuklearprogramm ausschließlich zivilen Zwecken dient und stellt in ihrem Bericht vom 18. Februar 2010 Hinweise auf eine militärische Dimension des Nuklearprogramms fest. Bündnis 90/Die Grünen treten dafür ein, dass die internationale Staatengemeinschaft weiterhin eine friedliche Lösung im Atomstreit mit Iran auf dem Verhandlungswege anstrebt.

Für die Grünen ist Frieden mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Wo Menschen unterdrückt werden, nicht frei von Furcht und Not leben können oder wo die natürlichen Lebensgrundlagen unwiederbringlich zerstört werden, dürfe man nicht wegsehen und müsse sich einmischen. Grüne wollen zu einer vorausschauenden Friedenspolitik beitragen. „Wir treten engagiert für Abrüstung, Schutz der Menschenrechte, eine gerechte Globalisierung und gewaltfreie Konfliktlösungen ein“, so Bednarek-Siegfried und Mohnberg abschließend. Die Grünen kündigten an, trotz manch unterschiedlicher Positionen die Friedensbewegung zu unterstützen und am Ostermarsch teilzunehmen.

Kommentar

Bündnis 90/Die Grünen, Kreisverbände Kassel-Stadt und -Land, Grüne Jugend Kassel:

Gemeinsame Stellungnahme zum Ostermarsch-Aufruf 2012 des Kasseler Friedensforums

Afghanistan, Syrien und Iran, Israel und Palästina, Rüstungsexporte, Neonazis in Deutschland – spielen im Alltag vieler von uns keine Rolle. Doch das Kasseler Friedensforum rüttelt uns wach und mahnt die Dringlichkeit und umfassende Bedeutung dieser Konflikte und Probleme an. Wir, die Kreisverbände Kassel-Stadt und Kassel-Land von Bündnis 90/Die Grünen sowie die Grüne Jugend Kassel, begrüßen dieses Engagement ausdrücklich. Dennoch können wir den Aufruf zum Ostermarsch 2012 nicht unterstützen. Die Anmerkungen zu Syrien und Iran können wir so nicht teilen:

Zwar bewertet auch das Friedensforum das Vorgehen des syrischen Diktators Assad gegen seine Bevölkerung als „brutal“. Doch betont es zugleich, gemäß Völkerrecht gelte, die Gestaltung der politischen und gesellschaftlichen Ordnung eines Landes sei ausschließlich Angelegenheit seiner Bevölkerung. Formaljuristisch: Ja! Fundament der wichtigsten Völkerrechtsquelle, der Charta der Vereinten Nationen, ist die souveräne Gleichheit aller Staaten (Artikel 2.1). Einmischung in einen Staat von außen ist also verboten. Doch ist dies unsere einzige Antwort auf Gräueltaten wie in Syrien? Die UNO-Charta wurde aus Angst vor einem zweiten Hitler entworfen, der Nachbarländer überfällt. Für die heutigen Konflikte, in denen Diktatoren ihre eigene Bevölkerung bekämpfen, brauchen wir zusätzliche Antworten. Wie ernst nehmen wir denn die vielen Menschenrechtsverträge, die ebenfalls Völkerrecht sind? Wir müssen anerkennen, dass Völkerrecht kein Werk aus einem Guss ist. Es kennt Kollisionen von Rechtsgütern: Nichteinmischung in fremde Angelegenheiten versus Menschenrechte, etwa der syrischen Bevölkerung.

Wir befürworten definitiv keinen Krieg gegen das syrische Regime. Doch es besteht nicht nur die Wahl zwischen Nichteinmischung und Krieg. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten dazwischen. Der SPIEGEL schrieb jüngst zu Syrien: „Man muss nur beharrlich genug Menschen umbringen, bis die andere Seite irgendwann zurückschießt.“ (Ausgabe 13/2012). Dies ist kein „Bürgerkrieg“, wie das Friedensforum schreibt, sondern kriegerische Unterdrückung einer Bevölkerung, die das gleiche Recht auf Freiheit besitzt wie wir. Kann hier unsere einzige Antwort „Nichteinmischung“ sein?

Genau wie das Friedensforum befürchten wir einen Krieg mit Iran. Das Friedensforum schreibt: „Seit einiger Zeit wird von ‚Militärschlägen‘ gegen Ziele im Iran gesprochen. Begründet wird dies mit dem iranischen Griff nach der Atombombe. Dafür gibt es keine Belege. Die USA und die EU-Regierungen gehen davon aus, dass der Iran Atomwaffen entwickelt, weil er die zivile Atomindustrie vorantreibt. Letzteres kann Iran nach internationalem Recht nicht verweigert werden.“ Mit Verlaub, wie einseitig wird hier Partei ergriffen? Wenn weder Geheimdienste noch die Internationale Atomenergie-Agentur wissen, ob der Iran an der Bombe baut, sollte auch das Friedensforum vorsichtig damit sein, zu verkünden, es gebe keine Beweise.

Möglich, dass Iran nicht nach Atomwaffen selbst, sondern nach der sogenannten „Breakout Capability“ strebt: nach der Option, binnen kurzer Zeit im Krisenfall solche Waffen herstellen zu können. Doch stimmt definitiv nicht mehr, dass Iran laut internationalem Recht Uran anreichern darf. Dieses Recht wurde ihm seit 2006 wiederholt durch den UNO-Sicherheitsrat abgesprochen. Dessen Resolutionen sind bindendes Völkerrecht. Neben dieser permanenten Völkerrechtsverletzung hat das iranische Regime Wahlen gefälscht, die innerstaatliche Opposition blutig niedergeschlagen und stößt regelmäßig Todesdrohungen gegen Israel aus. Wir haben wohl die Angst vor der tödlichsten aller Waffen verloren, um die realistische Gefahr einer iranischen Atombombe mit „Dafür gibt es keine Belege“ beiseite zu wischen!?

Der Botschaft des Friedensforums, Frieden eine Chance zu geben, können wir uns voll und ganz anschließen. Aber die Einseitigkeit seiner Analyse und Lösungsvorschläge veranlassen uns zu diesem Kommentar. Ja, auch wir wollen Frieden mit und in Syrien und Iran. Doch erkennen wir an: Im Angesicht von Despoten wie Assad und Ahmadinedschad entgleitet uns die alleinige Kontrolle über Krieg und Frieden. Wenn uns Frieden wirklich am Herzen liegt, darf sich unser Engagement nicht ausschließlich gegen die USA, EU und Israel richten.

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