documenta für die Zukunft in Kassel stärken – Fehler aufarbeiten, Strukturen verbessern (10.09.2022)

von partei

Die documenta fifteen wird leider aufgrund der katastrophalen und nicht zu akzeptierenden Verwendung antisemitischer Stereotypen und eindeutig antisemitischer Bildsprache in einigen Bildwerken, dem Total-Versagen der auf städtischer Seite beruflich Verantwortlichen und der selbst verschuldeten und „verdienten“ weltweiten Negativ-Presse wahrscheinlich in negativer Erinnerung bleiben.

 

Das Fundament der documenta ist stabil genug, diese Krise zu überstehen. So zeichnet sich bereits vor dem Ende der documenta 15 dennoch ab, dass sie wahrscheinlich kein finanzielles Defizit ausweisen muss.

 

Die Grünen Kassel lehnen auch deshalb jede Verlagerung der documenta in andere Städte ab. Sie distanzieren sich ausdrücklich von den Forderungen von Volker Beck, dem ehemaligen Grünen-Politiker und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, die laufende Ausstellung sofort zu schließen und Kassel als zukünftigen documenta-Ort auszuschließen.

 

Damit die documenta überhaupt eine Zukunft haben kann, darf nach der Ausstellung nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden. Daher ist es zwingend notwendig, der Aufarbeitung des Skandals, seiner Geschichte, seiner Voraussetzungen, seiner unfassbar gescheiterten Bearbeitung, sowie notwendiger zukünftiger Entscheidungen für Struktur, Organisation und Kontrolle, Raum und Zeit zu geben.

 

Wie konnte es zu der – offensichtlich unbemerkten – Präsentation der antisemitischen Kunstwerke kommen? Wer trägt die Verantwortung für den nicht zu akzeptierenden Umgang mit dem Skandal?

 

Die Entscheidung, die künstlerische Leitung in die Hände des Kuratorenteams Ruangrupa zu legen und damit ein Konzept zu präsentieren, das sich auf eine überwiegend kollektive Arbeitsweise von Künstlergruppen stützt und beruft, die in ihren Arbeiten die Informationen und politischen Auseinandersetzungen in den Vordergrund ihrer künstlerischen Arbeit und ihren kulturellen Projekten stellen, war mutig.

 

Die Idee des Konzeptes war und ist mit den ausgestellten Kunstwerken, Dokumentationen und Projektberichten die Besucher der d 15 mit u.a. Unterdrückung, Ungerechtigkeiten und ökologischen Bedrohungen in den jeweiligen Ländern zu konfrontieren. Das große Besucher*innen-Interesse an diesem Konzept zeigt, dass es an der Zeit war/ist diese gesellschaftlich dringenden Fragen auch in der Kunst zu stellen und zu bearbeiten.

 

Dem gegenüber stehen Teile des Stamm-Publikums, die -zu Recht- durch den sichtbaren Antisemitismus verletzt sind und diese documenta boykottieren sowie eine ebenso empörte mediale Öffentlichkeit.

 

Die Grünen Kassel sehen eine inhaltliche Be- und Aufarbeitung nach der d15 für unabdingbar für den zukünftigen, weiteren Erfolg der Weltkunstausstellung in Kassel. Sie werden den dazu notwendigen Diskussions- und Aufarbeitungsprozess über inhaltliche und organisatorische Fragen zur documenta z.B. in Anhörungen, Symposien, Gesprächsrunden, Ausstellungen aktiv in den zuständigen Gremien der Stadt Kassel und des Landes Hessen und in Kooperation mit anderen Aktiven initiieren und mitgestalten.

 

Folgende Eckpunkte, Fragen und Aufgaben sollen dabei gesetzt und für die Zukunft wegweisend sein:

  • Bei allen gründlich hinterfragten Entscheidungen, personell wie inhaltlich, sollte gemäß dem Grundkonsens der documenta, die „künstlerische Freiheit“ als hohes Gut gewährleistet bleiben.
  • Das Beteiligungsmodell Stadt/Land/Bund soll über die finanzielle Beteiligung weiter ausgebaut werden und wieder eine gleichberechtigte Mitsprache z.B. im Aufsichtsrat angestrebt werden.
  • Die Auswahl der Mitglieder der Findungskomissionen, die ihrerseits die Kurator*innen vorschlagen, sollte öffentlich vorgestellt und begründet werden.
  • Das Gleiche sollte auch für die Vorschläge der Findungskommission gelten.
  • Den jeweiligen Kurator*innen kann/soll ein Beirat zur Seite gestellt werden, dessen Aufgaben und Kompetenzen zu jeder documenta vom Aufsichtsrat neu beschrieben werden.
  • Veranstaltungen und Symposien sollen ausgerichtet werden z.B. durch die documenta gGmbH in Kooperationen mit der Kunsthochschule, Parteien und anderen gesellschaftlichen Akteuren. (Stichworte hierzu: Kunstfreiheit im Spannungsfeld von internationalen und nationalen Zeichenkanons/Grenzen der Kunstfreiheit; political correctness auf der documenta; Kunst/politische Kunst/politische Aktionskunst/Verantwortlichkeit in kollektiver Autor*innenschaft)
  • Frühe documenta-Ausstellungen standen unter maßgeblicher Einflussnahme von ehemaligen Aktiven und an den Verbrechen des NS-Regimes aktiv beteiligten Mitgliedern der NSDAP wie z.B. Werner Haftmann, der u.a. für den Ausschluss von jüdischen Künstler*innen bei der documenta gesorgt hat. Dieser Vergangenheit muss sich Kassel – nicht nur die documenta gGmbH – endlich stellen.
  • Die Grünen Kassel schlagen hier vor, zwei Ausstellungs-Projekte im Museum Fridericianum zusammenzubringen: die gemeinsam mit dem Documenta Archiv Kassel (sic!!!) und dem Solinger Zentrum für verfolgte Künste erstellte Ausstellung und die Aufarbeitung und Ausstellung des Deutschen Historischen Museums (Berlin) zur documenta.

Die Grünen Kassel werden bei der anstehenden Oberbürgermeister*in-Wahl darauf drängen, dass sich die/der potenzielle Oberbürgermeister*in als Aufsichtsratsvorsitzende*r in diesen Fragen eindeutig positioniert und über die Zukunft der documenta in Kassel nicht an der Kasseler Bevölkerung vorbei entschieden wird.

Diese Website verwendet Cookies – nähere Informationen dazu und zu Ihren Rechten als Benutzer finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Verstanden